Friedensgemeinschaft San José de Apartadó, Kolumbien

Die Friedensgemeinschaft San José de Apartadó, Kolumbien, wurde 1997 von 1.350 Bauern aus verschiedenen Weilern der Region Apartadó gegründet. Als Reaktion auf mehrfache und anhaltende Aggressionen aller am bewaffneten Konflikt in Kolumbien beteiligten Fraktionen erklärten sie sich als “neutral”. Damit verteidigten sie ihr Recht, friedlich auf ihrem Land zu leben und ihr eigenes Land zu bearbeiten. Sie gründeten eine Gemeinschaft mit eigener Satzung, die durch die Ethik der Gewaltlosigkeit und Solidarität verbunden ist. Wir begleiten die Gemeinschaft seit 2005 und unterstützen den Aufbau ihres Ausbildungszentrums in Mulatos aktiv.

„Die Friedensgemeinschaft von San José von Apartadó ist – zusammen mit anderen die von derselben Vision inspiriert sind – eine bemerkenswerte Demonstration von Mut, Resilienz und Engagement für die hohen Werte von Frieden und Gerechtigkeit in einem Umfeld von Brutalität und Zerstörung. Es gibt kein besseres Symbol für gewaltfreien Kampf und Hoffnung in einer Welt, die von Gewalt und Unterdrückung gequält wird. “

NOAM CHOMSKY

Geschichte

San José de Apartadó liegt in der nördlichen Region von Urabá und befindet sich in einer Region, die von verschiedenen bewaffneten Gruppen wegen ihrer strategischen Lage und ihrer natürlichen Ressourcen heftig umkämpft wurde und immer noch wird. Bauern und indigene Gruppen wurden jahrzehntelang auf unvorstellbar grausame Weise von ihrem Land vertrieben, um Platz für die Bergbau-Industrie, industrielle Landwirtschaft und Staudammprojekte zu schaffen. Die verwendeten Methoden – Massaker, Folter, Vergewaltigung und Vertreibung – zeigen das organisierte Verbrechen, das in weiten Teilen des Globalen Südens die kapitalistische Globalisierung begleitet und unterstützt. Die Bauern von San José de Apartadó waren am 23. März 1997 zusammengekommen, nachdem sie von ihren Grundstücken vertrieben worden waren, Angehörige verloren hatten bzw. von verschiedenen bewaffneten Gruppen bedroht worden waren. Sie erklärten dem Land und der Welt, dass sie ihr Land nicht verlassen würden, sondern eine Friedensgemeinschaft als Akt des gewaltlosen zivilen Widerstands gründen würden. Sie wurden darin vom Jesuitenpater Javier Giraldo und der damaligen Bürgermeisterin von Apartadó, Gloria Cuartas, sowie von internationalen Menschenrechtsorganisationen unterstützt. An diesem Tag haben sie sich zu folgenden ethischen Werten verpflichtet, die ihr mutiges Projekt definieren und bis heute gültig sind:

  • Teilnahme an der Gemeinschaftsarbeit
  • Widerstand gegen Ungerechtigkeit
  • Verzicht auf Waffen sowie direkte oder indirekte Teilnahme am bewaffneten Konflikt
  • Keine Informationsweitergabe an die am Konflikt beteiligten Parteien
  • Keinen Konsum oder Verkauf von Alkohol oder Drogen

Den Kreislauf der Gewalt beenden

Die Gemeinschaft wurde heftig bekämpft, auch vom kolumbianischen Staat selbst. Seit 1997 wurden mehr als 200 Mitglieder der Gemeinschaft, darunter viele Anführer, von den verschiedenen bewaffneten Gruppen getötet – hauptsächlich von rechtsgerichteten paramilitärischen Todesschwadronen und nationalen Streitkräften. Kaum eines dieser Verbrechen wurde jemals untersucht. Trotz der Schrecken, denen sie ausgesetzt waren, hat sich die Gemeinschaft behauptet und arbeitet weiter für Vergebung und Frieden. Die Gemeinschaft erkannte an ihrem eigenen Leben, dass die Wunden des Krieges heilen und das Potenzial für Anteilnahme, Vergebung und Zusammenarbeit in Menschen aktiviert werden können, selbst bei Menschen, die durch das Grauen, das sie erlebt hatten, zutiefst traumatisiert waren. Mit ihrem gemeinschaftlichen Leben zeigen die Einwohner der Friedensgemeinschaft, wie sie das Opfer-Täter-Verhältnis beenden können. Sie sind sich bewusst, dass jede Rache oder weitere Gewalttat den Kreislauf der Gewalt nur fortsetzen wird. Eduar Lanchero, verstorbener Visionär und Leitungskraft, sagte bei einem Treffen des Global Campus:

„Die bewaffneten Gruppen sind nicht die einzigen, die töten. Es ist die Logik hinter dem ganzen System. Die Art und Weise, wie Menschen leben, erzeugt diese Art von Tod. Deshalb haben wir uns entschieden, so zu leben, dass unser Leben Leben erzeugt. Eine Grundbedingung, die uns am Leben hielt, war, das Spiel der Angst nicht zu spielen, das uns die Morde der Streitkräfte auferlegt hatten. Wir haben unsere Wahl getroffen. Wir haben das Leben gewählt. Das Leben korrigiert uns und leitet uns. “

Unsere Partnerschaft mit der Gemeinschaft

Wir haben die Gemeinschaft 2001 kennengelernt und sind 2005 eine tiefere Partnerschaft eingegangen. Wir stehen im kontinuierlichen Kontakt, treffen uns mindestens einmal im Jahr zu Gesprächen und gegenseitigen Besuchen und haben Solidaritätskampagnen organisiert, um die Friedensgemeinschaft in ihrem Überlebenskampf zu unterstützen. Über den Globalen Campus stehen wir in einer besonderen Zusammenarbeit, um ihre wichtige Rolle als Modell- und Ausbildungszentrum für Frieden, Gemeinschaftsbildung und Autonomie im ganzen Land und in der Welt zu stärken. Im Jahr 2008 führten wir die erste Grace-Pilgerschaft und das ersten Ausbildungsseminar des Global Campus in der Friedensgemeinschaft durch, in Zusammenarbeit mit der “Farmers’ University of Resistance.” Diese wurde von der Friedensgemeinschaft 2004 gemeinsam mit anderen Campesino-, Indigenen und afro-kolumbianischen Friedensgemeinschaften initiiert, um alternative Bildungswege zu fördern.

Solidarität mit Friedensarbeitern aus aller Welt!
Ihr Beitrag ermöglicht es Menschen aus benachteiligten Verhältnissen, in Tamera zu studieren.

Friedensdorf Mulatos

Nach einem Besuch von Trägern der Gemeinschaft in Tamera im Jahr 2009, inspiriert von Tameras politischem Ashram, baute die Gemeinschaft das „Friedensdorf Mulatos“ als soziales, ökologisches und spirituelles Ausbildungszentrum auf. Ihr Enthusiasmus und die Art und Weise, wie sie dieses abgelegene, unbewirtschaftete Anwesen in so kurzer Zeit in ein Zentrum verwandelten, wurde als “Wunder von Mulatos” bekannt. 2010 veranstalteten wir unser erstes Global-Campus-Seminar im Friedensdorf Mulatos, das sich auf Gemeinschaft konzentrierte und half, Gebäude und Einrichtungen für die Versorgung mit Wasser, Energie und Lebensmitteln aufzubauen. Durch dieses Ausbildungszentrum möchte die Gemeinschaft ihre Probleme in einen globalen Kontext stellen. Denn die Notwendigkeit, dezentrale, autarke Alternativen zur kapitalistischen Globalisierung zu schaffen, besteht global und ist entscheidend für das Überleben und den Schutz der letzten Teile der gesunden Natur auf diesem Planeten. Wir sind überzeugt, dass ein neues, auf Autonomie, Gemeinschaft und Kooperation basierendes Lebensmodell, das sich in einer derart extremen Situation entwickelt, mehr Orte in der Welt inspirieren wird, den notwendigen Systemwechsel vorzunehmen. In der Vergangenheit war das Dorf Mulatos der Schauplatz vieler Grausamkeiten. Die Mitglieder der Friedensgemeinschaft schaffen nun eine Gegenwart voller Leben. Ihre Vision umfasst:

  • ein politisches Trainings- und Retreatzentrum für die Friedensgemeinschaft
  • ein alternatives technisches Forschungszentrum und ein spiritueller Anker für die     gesamte Gemeinschaft mit einem Altar
  • ein Bildungszentrum.

Sie wollen, dass Mulatos ein Modell für eine autonome Gemeinschaft wird, eingebettet in die anderen Weiler der Friedensgemeinschaft – ein Geburtshelfer für weitere Projekte.

Grace-Pilgerschaft in Bogotá

Im Jahr 2010 veranstalteten wir zusammen mit Pater Javier Giraldo und vielen Mitgliedern der Friedensgemeinschaft eine weitere Grace-Pilgerreise durch und um Bogotá. Ziel war es, die kolumbianische Bevölkerung einerseits für den unschätzbaren Beitrag zu sensibilisieren, den diese Gemeinschaft zum Frieden im Land beiträgt. Andererseits wollten wir erreichen, dass die Öffentlichkeit die Friedensgemeinschaft wahrnimmt, damit sie vor weiterer Verfolgung geschützt ist. Die Jugendlichen von Tamera führten ihr politisches Theaterstück auf Spanisch zusammen mit der Jugend der Friedensgemeinschaft in Schulen und an anderen Orten der Hauptstadt auf.

In diesem Dokumentarfilm “Hoffnung für Kolumbien” (Grace Media, 2011) erhalten Sie einen bewegenden Einblick in die Pilgerschaft:

Die mögliche Rolle von Gemeinschaften im Friedensprozess

Leitungskräfte der Friedensgemeinschaft nehmen seitdem regelmäßig an den Treffen und Ausbildungseinheiten des Globalen Campus teil, sowohl in Tamera als auch in Kolumbien. Sie arbeiten weiter an der Frage, wie eine Friedensgemeinschaft autark werden kann. Mit ihrem konsequenten Einsatz für Vergebung und Gerechtigkeit sind sie ein Vorbild für einen nachhaltigen sozialen und regionalen Frieden im Land. Wir glauben, dass ihr Beispiel und ihre Erfahrung relevant für eine echte Lösung des Krieges in Kolumbien sind. Sie könnten ehemaligen Kämpfern beibringen, wie sie Traumata heilen können, Versöhnung lernen und zum Aufbau einer Kultur des Friedens beitragen.

Sehen Sie hier, wie Sabine Lichtenfels ihre Vision für den Frieden in Kolumbien bei ihrem Besuch anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Gründung der Friedensgemeinschaft beschreibt:

www.tamera.org