Elternschule
Die Elternschule versammelt Eltern, „Wahl-Eltern“ und alle, die Eltern werden wollen, um einen neuen und bewussten Umgang mit Kindern zu lehren. Sie bereitet Erwachsene darauf vor, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und die dabei auftauchenden Konflikte und Fragen zu bearbeiten. Die Elternschule will stabile soziale Strukturen schaffen, in denen Kinder gesund aufwachsen können. Zentrale Themen der Elternschule sind der Aufbau von Gemeinschaft und die Heilung der Liebe, denn beide tragen entscheidend dazu bei, das bestehende System der Angst in ein neues soziales System überzuführen, das auf Freiheit und Vertrauen beruht.
„Ein Erwachsener bezieht sich auf Kinder in der gleichen Art, wie er sich auf einen Liebespartner bezieht. Genauso, wie wir es lernen müssen, das System von Fixierung und Besitzanspruch in der Liebe zwischen Erwachsenen zu verlassen, genauso müssen wir es in der Beziehung zu unseren Kindern lernen. Solange ich in einem Liebessystem lebe, das in mir Verlustangst auslöst, werde ich versuchen, die Kinder an mich zu binden und indem ich das tue, gebe ich die Verlustangst an sie weiter.“
GABRIELE BRUEGGEMANN
Vision
Das Schicksal unserer Kinder entscheidet über die Zukunft unseres Planeten. Ihr Schicksal hängt eng mit dem Schicksal der Eltern zusammen und vor allem damit, wie diese mit der Liebe umgehen. Deswegen hat der Aufbau neuer sozialer Strukturen eine solch fundamentale Bedeutung für alle, die Kinder betreuen. Diese Strukturen sollen dazu beitragen, die Liebe aus dem historischen Trauma von Angst und Misstrauen zu befreien. Das bedeutet, dass wir, wenn wir Kinder verantwortlich begleiten wollen, vor allem an uns selbst arbeiten müssen, um nicht unsere unbewussten Muster der Angst an sie weiterzugeben.
In Tamera bedeutet Familie in vielen Fällen nicht einfach nur die traditionelle Kleinfamilie aus Vater, Mutter und Geschwistern. Oft ist es eine Wahlfamilie, die aus einem kleinen Kreis von Erwachsenen besteht. Oft wählt das Kind die „Wahl-Eltern“ selbst. Es sind Erwachsene, die das Kind liebt und die sich verpflichten, es zu begleiten, bis es selbstständig geworden ist.
Die kleinere oder größere Familie ist ihrerseits in die Gesamt-Gemeinschaft eingebettet, welche die Erwachsenen in ihren Liebesfragen so unterstützt, dass keine Trennungen entstehen müssen, auch nicht, wenn sich jemand aus der Familie in eine/n andere/n verliebt. Kinder lieben frei und verurteilen nicht. In einem größeren sozialen Umfeld können sie ihre Zuneigung zu immer mehr Menschen entfalten. Sie lernen von ihnen und entwickeln so ein immer tieferes Grundvertrauen. Eine Gemeinschaft schenkt den Kindern eine Vielzahl von Erwachsenen, die gerne auf Kinder eingehen und Verantwortung für sie übernehmen. So können Kinder unterschiedliche menschliche Qualitäten kennenlernen. Indem die Eltern den Kindern voll erlauben, ihren Kontakt- und Freundschaftswünschen frei zu folgen, kann ihre große Liebesfähigkeit frei bleiben.
Wir betrachten die Aufgabe, Kinder großzuziehen und zu begleiten, nicht als eine Privatangelegenheit, sondern als eine gemeinsame Verantwortung der Gemeinschaft. Das ist vor allem wichtig für Erwachsene, die in Tamera leben wollen und schon Eltern sind, oder Eltern werden wollen. Sie müssen offen dafür sein, ihre Kinder nicht als ihren „Privatbesitz“ zu betrachten und das bedeutet auch, damit einverstanden zu sein, dass andere Menschen bei der Erziehung ihrer Kinder mitreden dürfen. Das ist ein fundamentaler Wechsel von einer privaten Vorstellung, wie Kinder aufwachsen sollen, hin zu einem Bild gemeinsamer Verantwortung. So tief ist der Wechsel von der Angst zum Vertrauen.
Die Elternschule bietet den Vertrauensraum, in dem alle Fragen rund um die Kinder in der Gemeinschaft gestellt werden und von allen Beteiligten unterstützend bearbeitet werden können. Die Elternschule setzt sich aus dem Leitungsteam des „Platz der Kinder“, einigen Eltern und einigen Kinderbetreuern zusammen, die gemeinsam das Bewusstsein für ein freies Kinderaufwachsen schaffen. Die Elternschule arbeitet eng mit der Liebesschule zusammen, denn das Verhältnis, das wir gegenüber unseren Kindern aufbauen, folgt oft den gleichen Mustern wie in unseren Liebesbeziehungen unter Erwachsenen.
Was wir machen
- Wir lernen, wie wir unseren Kindern eine heilende Orientierung geben können.
- Wir wollen als Gemeinschaft unseren Kindern eine klare Orientierung geben, d.h. wir entwickeln Kohärenz untereinander zum Umgang mit den Kindern.
- Wir geben das Wissen weiter, das wir in den letzten 15 Jahren seit Bestehen des „Platz der Kinder“ gewonnen haben.
- Wir studieren den notwendigen Systemwechsel in der Liebe und entwickeln ein Liebesbild, das frei ist von Erpressung und Besitzanspruch.
- Wir teilen uns wichtige Erfahrungen mit unseren Kindern mit.
- Wir beobachten und studieren die verschiedenen Entwicklungsphasen der Kinder.
Bevor wir Kinder in unser Leben einladen, müssen wir dafür sorgen, dass sie eine stabile soziale Umgebung vorfinden. In der Gemeinschaft sind es nicht nur die beiden Eltern, die darüber entscheiden, ob ein Kind empfangen wird. Es ist auch eine kommunitäre Entscheidung, denn die Gemeinschaft ist am Aufwachsen des Kindes beteiligt. Die Elternschule bietet den nötige Raum, um Paare darauf vorzubereiten, Eltern zu werden und ihre Entscheidung im Einklang mit der Gemeinschaft treffen zu können. Alle, die Eltern werden wollen, brauchen den Vertrauensraum, um ganz aus ihrem Herzen heraus sprechen zu können, warum sie sich ein Kind wünschen und wie sie es aufwachsen lassen wollen.
Durch die Arbeit der Elternschule haben wir erkannt, dass die Konflikte und Schwierigkeiten, die unsere Kinder haben, oft die Konflikte ihrer Eltern und der Erwachsenen um sie herum widerspiegeln. Kinder nehmen die verborgenen Konflikte (intuitiv) wahr, die die Erwachsene mit sich herumtragen und weisen uns auf ihre Art auf diese oft unausgesprochenen und unterdrückten Themen hin. Kinder reagieren unmittelbar mit Erleichterung und ändern ihr Verhalten, sobald die betroffenen Erwachsenen die Verantwortung übernommen haben und damit beginnen, ihre zwischenmenschlichen Konflikten solidarisch zu bearbeiten.
Mütter stehen vor Fragen wie z. B.: „Wann soll mein Kind welchen Entwicklungsschritt durchlaufen haben?“, „Wie lange soll ich mein Kind stillen?“, „Ist es richtig oder falsch, wenn mein Kind jetzt schreit?“ usw. Es ist nicht leicht, ein allgemeines Vorbild für Mutterschaft aufzustellen, solange wir noch so viele angstbesetzte Vorstellungen aus der Vergangenheit mit uns tragen. Wir haben in diesem Bereich kaum gesunde Richtlinien aus den „zivilisierten“ Kulturen mitbekommen. Aber Mütter tragen eine intuitive Wissensquelle in sich, wie sie ihre Kinder begleiten können. Wir arbeiten daran, uns mit dieser Quelle wieder zu verbinden und erfahren dabei, wie sich die Dinge oft ganz natürlich und wie „von selbst“ ergeben. Die Verankerung in der Gemeinschaft ermöglicht es Müttern, sich mit diesem tiefen inneren Wissen über Kinder zu verbinden.
Ein Schlüsselthema der Elternschule ist die Heilung der Mutterschaft. Ein Kind liebt seine/ihre Mutter ohne Einschränkungen und ganz ohne Zweifel. Die Liebe zwischen Mutter und Kind und speziell die Liebe zwischen Mutter und Sohn ist ein starkes archetypisches Liebesbild in unserer Seele. Dieses Bild braucht kollektive Einlösung, Erlösung und Heilung. Viele Frauen sind aber nicht in der Lage, die Liebe ihres Sohnes voll anzunehmen. Das ist die Folge einer Kulturgeschichte, in der die Liebe zwischen Mutter und Sohn verboten war. Für einen Mann bedeutet das, dass er nicht daran glauben kann, geliebt zu werden und dadurch selbst Schwierigkeiten hat, eine Frau ganz zu lieben. Wenn wir die Liebe eines Kindes damit beantworten, dass wir es besitzen wollen, erzeugen wir in ihm Verwirrung, Angst und Wut. Wir wollen eine Kultur aufbauen, in der Erwachsene fähig sind, auf die Liebe ihrer Kinder mit ihrer uneingeschränkter Liebe zu reagieren. Wir arbeiten an einem neuen Bild der Mutterschaft in einer Friedenskultur, wo Mütter für alle Kinder in der Gemeinschaft Heimat schaffen. Mütter brauchen eine Aufgabe in der Gemeinschaft, die es ihnen erlaubt, ihr hohes Liebespotential zum Wohle aller zu entfalten.