Eindrücke aus dem Hundesanktuarium

Die Arbeit mit den Hunden ist in besonderer Weise verbunden mit uns Menschen – warum eigentlich? Und wie fühlt sich diese Verbindung an? Wir erleben sie, wenn wir in der Arbeit miterleben dürfen, wie ein verängstigtes und leidendes Tier erfährt, dass es sicher ist – wie es dann das Vertrauen trinkt und sich Richtung Heilung entwickelt – eine große Lehre, auch für uns Menschen. 

 Von Barbara Kovats, 3. März 2024

“Wer ein hungriges Tier füttert, nährt seine eigene Seele.”

Charlie Chaplin

 

Treuer Gefährte des Menschen seit Urzeiten

 

Seit mindestens 14.000 Jahren leben Menschen und Hunde zusammen, Jahrtausende länger als mit jedem anderen Haustier. Ein Archäologen-Team um Simon Davis und François Valla fand im Norden von Israel-Palästina Ende der 1970er Jahre Überreste eines rund 12.000 Jahre alten Frauen-Skeletts. Das Überraschende: Ihre Hand ruhte schützend auf dem knöchernen Körper eines Hundewelpen! Es ist ein früher Beleg für die lange und innige Beziehung zwischen Mensch und Hund.

 

Kein anderes Tier hat uns so unbedingt überallhin begleitet: Wo immer auf der Welt der Mensch seinen Fuß hinsetzte, lassen sich meistens auch Hundespuren finden. Hunde sind in ihrem Sozialverhalten dem Menschen sehr ähnlich – sie können die Mimik eines Menschen lesen und sehen, ob ihr menschlicher Begleiter froh, traurig oder gestresst ist. Auch wenn wir mit dem Finger auf etwas zeigen, versteht ein Hund, dass er mit dem Blick dem Finger folgen soll – etwas, was sonst wenige Tiere können.

 

Der Biologe Brian Hare beobachtete jahrelang Wolfs- und Hundewelpen. Einmal versteckte er deren Futter in einer Kiste. Die jungen Wölfe versuchten sogleich, sie zu öffnen. Mit Zähnen und Krallen bearbeiteten sie die Box, um an den begehrten Inhalt zu gelangen. Den Menschen im Raum beachteten sie nicht. Ganz anders die Hunde: Kurz versuchten sie, die Kiste aufzubekommen, gaben aber schnell auf. Ohne es je geübt zu haben, schauten sie mit bettelndem Welpenblick den Menschen an und sagten so unmissverständlich: „Hilf mir!“ Was Hare dann auch tat.

 

Gerade wegen dieses „Bettelblicks“ haben Verhaltensforscher Hunde lange als nicht besonders schlau wahrgenommen. Doch inzwischen wissen sie, dass das nicht stimmt – in Wirklichkeit ist der Hundeblick kein Zeichen von Hilflosigkeit, sondern ein Angebot an den Menschen, sich aufeinander einzulassen und zu verstehen.

 

Die Chemie zwischen Mensch und Hund stimmt. Das zeigt auch das „Kuschelhormon” Oxytocin, bekannt für seine Rolle bei der Bindung von Mutter und Baby. Es wird auch bei Mensch und Hund ausgeschüttet, wenn sich beide in die Augen schauen. Dass das Hormon hier über die Artgrenzen hinweg aktiv ist, ist bemerkenswert – vielleicht sogar einmalig.

Hund und Mensch haben sich in ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflusst. Forscher sprechen sogar von der Koevolution beider Arten.

Hunde als Heilungshilfe für uns Menschen

 

Wir erleben in unserer Arbeit immer wieder diese enge Verbindung. Wer einen Hund rettet, rettet oftmals auch sich selbst. Wer beobachten und miterleben kann, wie ein traumatisierter Hund wieder Vertrauen schöpft, findet auch Vertrauen in sich selbst wieder. Es ist das Leben, das heilt!

 

Auf “Mutual Rescue” findet ihr viele bewegende Geschichten davon, wie Hunde und Menschen sich gegenseitig retten und heilen.

 

Auch in unserer Arbeit erleben wir diesen Zusammenhang. Julia hat bei uns gearbeitet, sie fasst ihre Heilung in einem Brief an uns zusammen (aus dem Englischen übersetzt):

Die Arbeit mit den Hunden war unglaublich lohnend und eine lebensverändernde Erfahrung.

 

Als erstes: Glücklicherweise habe ich das Buch „Die Heilige Matrix“ in München in einem Bücherregal mit Büchern zum Verschenken gefunden, das war 2019. Ich hatte unmittelbar den tiefen Ruf, Tamera zu besuchen. Ich war noch nie in einer Gemeinschaft gewesen und wollte Tamera unbedingt selbst erleben. Nur, dann kam Covid und dann war ich mit größeren gesundheitlichen Fragen beschäftigt und hatte zwei Operationen: Beide meiner Hüften mussten ersetzt werden (2021 und 2022). Ich war noch in Rekonvaleszenz, hatte oft Schmerzen und musste auf eine Art wieder gehen lernen.

 

Bei meiner Anmeldung las ich auf Tameras Website, dass Tamera ein Hundesanktuarium führt. In der Beschreibung wurde gesagt, dass viele der Hunde aus Situationen kommen, in denen sie an Ketten gehalten oder misshandelt worden sind. Im Sanktuarium, bzw. im Gehege, lernen die Hunde wieder zu gehen und auch, den Menschen wieder zu vertrauen und sich auf eine Bindung einzulassen. Ich las, dass das Gehege ein heilender Ort, nicht nur für Hunde, sondern auch für Menschen sei. Diese Beschreibung resonierte tief in mir und mit meiner eigenen Geschichte, ich selber lernte auch wieder laufen. So habe ich mich für diese Arbeit angemeldet, ich war glücklich, dass ich angenommen wurde. (…)

Ich habe es geliebt, die Hunde zu bürsten, mit ihnen spazieren zu gehen, mit ihnen zu sein und wurde gleichzeitig jeden Tag gesünder und fitter. Am Anfang hatte ich noch mit Schmerzen zu kämpfen, aber nach drei Wochen waren sie fast ganz weg; ich konnte schmerzfrei gehen. Ich bin immer noch schmerzfrei – zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Tamera. Ich bin mir sehr sicher, dass die Arbeit mit den Hunden meine Heilung stark unterstützt hat und generell auf meine Gesundheit einen sehr positiven Effekt hatte. Ich fühle mich physisch und psychisch gesünder und ich bin überzeugt, dass die Hunde viel dazu beigetragen haben.

Ich habe beobachtet, wie sich einige der Hunde in ein paar wenigen Wochen verändert haben, von verängstigt und scheu zu vertrauensvoll und glücklich. Mir zeigt diese Heilung die Kraft der Liebe und der Anteilnahme und es hat mich angespornt, selber glücklicher und besser zu werden. Diese Erfahrung hat auf der einen Seite mein Verständnis von Hunden vertieft, auf der anderen aber hat es mir die tiefere Bedeutung von Vertrauen und Gemeinschaft gezeigt – es ist ein wertvolles Kapitel in meiner persönlichen Geschichte. (…)

Danke sehr dafür, dass ich diese einmalige Erfahrung machen durfte!

 

Danke Julia – und all den anderen Helferinnen und Helfern – für eure liebende und verbindliche Unterstützung!

Dramatische Rettungen – und weitere Ereignisse des letzten Jahres

Einführungsclip für den Online-Kurs “Kontakt wischen Mensch, Tier und Natur” – gibt einen lebendigen Eindruck der Arbeit in unserem Hundegehege.

Neben der tollen Unterstützung, war 2023 für uns auch ein Jahr mit einigen Herausforderungen. Es fand eine dramatische Rettung statt. Wir nennen den Hund heute Jace. Er wurde in Reliquias gefunden – in der Drahtschlaufe einer (illegalen) Wildschweinfalle verfangen. Menschen hatten ihn seit Wochen so gesehen, ihm aber nicht geholfen, er war scheu und verletzt. Unser Team konnte ihn einfangen, das Drahtseil entfernen und ihn ins Krankenhaus bringen. Seine Wunde war voller Maden. Seither geht sein Weg unbeirrbar Richtung Heilung. Inzwischen führt er ein glückliches Leben. Nur noch manchmal hat Jace plötzlich unerklärliche Angst, weiß nicht mehr, dass er in Sicherheit ist – es ist, als würde etwas Dunkles aus seinem früheren Leben plötzlich wieder aktiv – wir sind sicher mit Geduld wird auch dieser Rest seines Traumas heilen und er lebt das Leben, das zu ihm gehört.

Einige von unseren älteren vierbeinigen Weggefährten mussten in diesem Jahr medizinisch behandelt werden – Shell hatte sogar eine Magenverdrehung und musste in einer lebensbedrohlichen Situation notfallmässig nach Beja ins Krankenhaus gefahren werden – und konnte noch rechtzeitig operiert werden. Heute ist er wieder „der Alte“, besonnen und ruhig und genießt sein Leben in der Hundegruppe.

 

Im letzten Jahr haben wir auch das Gehege renoviert und ausgebaut, dank Spenden aus dem Vorjahr. So haben wir zwei neue Boxen, eine für Fred, unseren schwierigen Genossen, der jetzt ein zuhause direkt neben dem großen Wohnzimmer der Hunde hat. Jetzt hat er gut und oft Kontakt mit seinen Artgenossen, was ihm gut tut – auch er ist eine Seele, die keine Zeit verliert und jede Situation für seine Heilung nutzt.

 

Ein interessantes Detail: Beim Ausbau haben wir Kaninchengänge entdeckt, und die Zaunführung dann so geändert, dass die Gänge außerhalb des Geheges sind. Jetzt leben die scheuen Kaninchen in direkter Nachbarschaft von Hunden, den Tieren, von denen wir Menschen denken, sie jagen die Kaninchen. Es scheint so, als hätten die Kaninchen die Nähe der Hunde gesucht als Schutz – manchmal sehen wir sie …

Wie ihr unterstützen und mehr lernen könnt

 

Diese gehäuften Notfälle haben unsere Kasse belastet. So haben wir das Budget, das wir von Tameras Basishaushalt zur Verfügung gestellt bekommen, um 3500 Euro überzogen. Jegliche Unterstützung, dieses Defizit zu decken, ist eine große Hilfe, um die Arbeit mit den Hunden fortzusetzen! Vielen Dank im Voraus an alle UnterstützerInnen.

 

Bitte überweist eure Spende (mit dem Stichwort “Hundesanktuarium”) an folgendes Bankkonto:

Inhaber: ASSOCIAÇÃO PARA UM MUNDO HUMANITÁRIO

Adresse: Monte do Cerro, 7630-392 Relíquias, Odemira, Portugal

Bank: Crédito Agrícola Adresse der Bank: R 25 de Abril 8, 7630-611 São Teotónio

Konto-Nummer: 40181786558 IBAN: PT50 0045 6332 40181786558 45

BIC/SWIFT: CCCMPTPL WISE: amh@tamera.org

 

Eine andere Möglichkeit zu helfen, ist einen und mehreren der Hunde aus unserem Sanktuarium aufzunehmen und ein neues Zuhause zu schenken. Wir vermitteln unsere Hunde, wenn sie dafür bereit sind. Auf dieser Website findet ihr mehr Informationen zu den Hunden, die zur Adoption bereit stehen. Besonders gerne hätten wir sehr bald ein gutes Zuhause für Baloo und Chica – und zwar zusammen, denn sie sind ein tolles Team.

 

Ein schönes Studienangebot hat eine Mitarbeiterin unseres Teams, Lee von dem Bussche, erarbeitet. Der deutschsprachige Online-Kurs „Kontakt zwischen Mensch, Tier und Natur“ lädt euch ein, gewaltfreie Kommunikation mit Tieren, Pflanzen und anderen Wesen tief zu erkunden. Unsere Arbeit mit Hunden kommt darin auch vor.

  

Wir danken für die bedingungslose Liebe, die uns durch die Hunde immer entgegengebracht wird und wir danken Euch fürs Lesen, fürs Dabeisein – und für Eure Unterstützung!

www.tamera.org